Was Pflegedienste ab November 2017 beachten müssen

Arbeitnehmer im Pflegebereich haben bereits seit dem 1. August 2010 Anspruch auf ein allgemeinverbindliches Mindestentgelt. Dieses wurde seitdem kontinuierlich angeho­ben. Seit dem 1. Januar 2017 beträgt der Pflegemindestlohn 10,20 Euro je Arbeitsstunde (West) bzw. 9,50 Euro (Ost). Dies regelt die Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingun­gen in der Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverord­nung – PflegeArbbV), die noch bis zum 31. Oktober 2017 gilt.

Am 25. April 2017 hat sich die Dritte Pflegekommission auf eine schrittweise Erhöhung des Pflegemindestlohns bis zum 1. Januar 2020 auf 11,35 Euro (West) und 10,85 Euro (Ost) geeinigt. Die 3. PflegeArbbV wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den Erlass einer Rechtsverordnung für verbindlich erklärt und am 1. August 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Sie gilt ab dem 1. November 2017 und tritt am 30. April 2020 außer Kraft. Bis dahin muss ein neuer Mindest­lohn verhandelt werden.

Zu zahlender Pfleg,emindestlohn nach 3. PflegeArbbV 

Geltungsbereich West mit Berlin

  • ab 01.01.2017: 10,20 €
  • ab 01.01.2018: 10,55 €
  • ab 01.01.2019: 11,05 €
  • ab 01.01.2020: 11,35 €

Geltungsbereich Ost

  • ab 01.01.2017: 09,50 €
  • ab 01.01.2018: 10,05 €
  • ab 01.01.2019: 10,55 €
  • ab 01.01.2020: 10,85 €

Strenge Aufzeichnungspflichten sind weiter zu beachten

Arbeitgeber im Pflegebereich sind auch künftig verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Arbeit­nehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und die­se Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre – beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt - aufzubewahren. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Arbeitnehmer-Entsende­gesetz, auf dem auch die dritte PflegeArbbV beruhen wird.

Für Arbeitnehmer mit ausschließlich mobilen Tätigkeiten kann es zwar ausreichen, die Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diese keinen Vorgaben zur konkreten Arbeitszeit (Beginn und Ende) unterliegen und sich ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwort­lich einteilen können. Da mobile Pflegekräfte diese Vorausset­zungen kaum erfüllen, empfehlen wir, die strengen Aufzeich­nungspflichten auch bei mobilen Pflegekräften einzuhalten. 

 

Vergütung von Wegezeiten, Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaft gesondert geregelt 

Der Pflegemindestlohn ist auch für Wegezeiten zwischen mehre­ren aufzusuchenden Patienten sowie zwischen diesen und den Geschäftsräumen des Pflegebetriebs zu zahlen. Dies gilt nicht für den Weg vom Wohnort des Mitarbeiters zu seinem ersten Einsatzort oder den Geschäftsräumen des Pflegebetriebs und seinen Heimweg vom letzten Einsatzort oder dem Pflegebetrieb.

Detaillierte Regelungen für Bereitschaftsdienste

Für Bereitschaftsdienste enthält auch die dritte PflegeArbbV spezielle Vergütungsregelungen. 

Bereitschaftsdienste werden geleistet, wenn 

  • sich eine Pflegekraft auf Anordnung des Arbeitgebers außer­halb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um bei Bedarf die Arbeit aufzu­nehmen und
  • zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung mindestens 75 Prozent beträgt.

Für die Entgeltberechnung müssen Bereitschaftsdienste (Be­reitschaftszeit und Zeiten mit tatsächlich geleisteter Arbeit) mit mindestens 40 Prozent (bisher 25 Prozent) als Arbeitszeit bewertet und mit dem Pflegemindestlohn vergütet werden. Diese Vergütung muss jedoch kollektivrechtlich oder einzelvertragüch vereinbart werden. Die Bereitschaftsdienste sind vorab im Dienstplan zu hinterlegen. 

Die zweite und dritte PflegeArbbV enthalten auch Regelungen für die Ableistung besonders vieler Bereitschaftsdienste inner­halb eines Monats. 

  • Zweite PflegeArbbV (gilt bis 31. Oktober 2017): Leistet ein Arbeitnehmer in einem Kalendermonat mehr als acht Be­reitschaftsdienste (Basis Vollarbeitszeit), so ist jeder weitere Bereitschaftsdienst in einem Monat mit zusätzlich 15 Prozent, insgesamt also mit 40 Prozent als Arbeitszeit zu bewerten.
  • Dritte PflegeArbbV (ab 1. November 2017): Zeiten des Bereit­schaftsdienstes, die im Monat über 64 Stunden hinausgehen, sind voll zu vergüten.

Kein Pflegemindestlohn bei Rufbereitschaft 

Zeiten der Rufbereitschaft werden auch von der dritten PftegeArbbV nicht erfasst. Sobald eine Pflegekraft während einer Rufbereitschaft die Arbeit aufnimmt, ist jedoch jede geleistete Arbeitszeit einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten mindestens mit dem Pftegemindestentlohn zu vergüten.

Rufbereitschaft leisten Pflegekräfte, die sich auf Anordnung ihres Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Von einer Rufbereitschaft ist selbst dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Pflege­kräfte mit einem Mobiltelefon oder einem vergleichbaren technischen Hilfsmittel ausstattet.

Fälligkeit des Pflegemindestlohnes 

Das Mindestentgelt für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit wird auch nach der dritten PftegeArbbV spätestens zum 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. 

 

Sondervergütungen und  Zuschläge bleiben außen vor

Die dritte PflegeArbbV sieht – wie die aktuell geltende zweite PftegeArbbV – keine Regelungen für die Elemente der Netto­lohnmaximierung (z.B. Kindergartenzuschuss, Benzingutschein, Fahrtkostenerstattung, Kleidergeld usw.) vor. Sie werden nur dann bei der Berechnung des Mindestlohns einbezogen, wenn sie Entgeltcharakter haben.

Maßnahmen zur Altersvorsorge 

Vermögenswirksame Leistungen sind nach der maßgeblichen Rechtsprechung in der Regel kein Bestandteil des Mindestlohnes. Entgeltumwandlungen nach dem Betriebsrentengesetz bleiben hingegen weiterhin möglich und führen nicht zur Unterschreitung des Pflegemindestlohnes. Dies steht durchaus im Widerspruch zu der Behandlung von vermögenswirksamen Leistungen.

Sonn- und Feiertagsarbeit 

Auch für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen muss mindestens der Pflegemindestlohn gezahlt werden. Einen Zuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit schreibt der Gesetzgeber zwar nicht vor. Sollte jedoch ein derartiger Zuschlag im Arbeitsvertrag vereinbart worden oder in einem Tarifvertrag geregelt sein, muss ihn der Arbeitgeber zusätzlich zum Pflegemindestlohn zahlen. Dies gilt auch, wenn solche Zuschläge in der Vergangen­heit regelmäßig vorbehaltslos gezahlt wurden und dadurch eine sogenannte betriebliche Übung entstanden ist.

Nachtarbeit

Für Nachtarbeit (von 23:00 bis 6:00 Uhr) sieht das Arbeitszeitgesetz ausdrücklich einen Ausgleich vor. Soweit keine abweichenden ver­traglichen Regelungen bestehen, hat der Arbeitgeber eine angemes­sene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. In der Regel wird ein finanzieller Zuschlag von 25 Prozent als angemessen angesehen.

Allerdings haben nur Nachtarbeitnehmer einen Anspruch auf Ausgleich. Dies sind jene Arbeitnehmer, die entweder Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder Nachtarbeit an mindes­tens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten. Im Übrigen ist Nachtarbeit nur dann anzunehmen, wenn mehr als zwei Stunden Nachtarbeit geleistet werden.

Weihnachtsgeld und 13. Gehalt 

Auch beim Weihnachtsgeld bzw. 13. Gehalt muss der Arbeit­geber tiefer in die Tasche greifen. Beides wird voraussichtlich beim Mindestlohn nicht berücksichtigt und müsste daher zusätzlich gezahlt werden.

 

Für Arbeitszeitkonten gelten spezielle Regelungen 

Über die vertraglich vereinbarte Stundenzahl hinausgehende Arbeitsstunden, die schriftlich einzelvertraglich oder kollektiv­rechtlich vereinbart wurden, können bis zu einer Gesamthöhe von 225 Arbeitsstunden in ein Arbeitszeitkonto eingestellt werden.

Wird diese Obergrenze überschritten, sind die Arbeitsstunden zur regulären Fälligkeit zu vergüten. Der Ausgleich dieser Arbeitsstunden kann entweder durch Bezahlung der Über­stunden oder durch bezahlte Freizeit erfolgen.

Die Obergrenze von 225 Arbeitsstunden gilt nicht, wenn in der Arbeitszeitkontenvereinbarung der Ausgleich der Überstunden zum Ende eines Ausgleichszeitraums vereinbart ist. Der Aus­gleichszeitraum darf höchstens 16 Monate betragen. Werden Arbeitsstunden nicht innerhalb des Ausgleichszeitraumes aus­geglichen, so wird der Anspruch auf Vergütung mit Ablauf des für diese Arbeitsstunden geltenden Ausgleichszeitraums fällig.

Die Obergrenze von 225 Stunden gilt auch nicht für Wertgut­haben aufgrund des Altersteilzeitgesetzes bzw. des vierten Sozialgesetzbuches oder nach vergleichbaren ausländischen Regelungen. 

 

Was ist noch beim Pflegemindestlohn zu beachten? 

Teile von Entgeltansprüchen können verfallen 

Die Ansprüche auf den Pflegemindestlohn können nur inner­halb von zwölf Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Danach verfallen sie.

Vorsicht bei Festgehältern

Wird ein monatliches Durchschnittsgehalt vereinbart, ist Vor­sicht geboten. In Monaten mit vielen Arbeitstagen kann es dann schnell zu einer Unterschreitung des Mindestlohnes kommen.

Beispiel
Eine Pflegekraft in Köln mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden erhält ein monatliches Festgehalt in Höhe von (durchschnittlich 173,33 Stunden x 10,20€ =) 1.768 €.

In einem Monat mit 23 Arbeitstagen hat die Pflegekraft jedoch Anspruch auf eine Vergütung in Höhe von 
(184 Stunden x 10,20 € =) 1.877 €. Der Pflegemindestlohn würde in diesem Monat also um 109 € unterschritten.

Ein Verrechnen mit Monaten, die wenige Arbeitstage haben, lässt die PflegeArbbV nicht zu. Auch der Zoll bzw. die Beamten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit prüfen, ob die geleistete Arbeitszeit monatsgenau vergütet wurde. Die Deutsche Renten­versicherung Bund schließt zwar eine Verrechnung nicht aus. Da jedoch auch das Bundesarbeitsgericht auf die monatliche Fälligkeit abstellt, empfehlen wir, in jedem Monat nach den tatsächlich geleisteten Stunden zu vergüten und die Verträge dementsprechend anzupassen. 

Bei Pflichtverletzungen drohen hohe Bußgelder 

Wer den Pflegemindestlohn pflichtwidrig nicht zahlt, muss nicht nur löhne, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nachzah­len, sondern auch mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro rechnen. Auch wer löhne zu spät zahlt oder gegen Melde- und Aufzeichnungspflichten verstößt, begeht eine Ordnungswidrig­keit, die mit hohen Geldbußen geahndet werden kann.

Für weitergehende Informationen und Fragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Bei arbeitsrechtlichen Fragen können Sie sich an die Arbeitsrechtsspezialisten der ETL Rechtsanwälte unter der kostenfreien Servicenummer (0800) 7 77 5111 oder per E-Mail (anwalt@etl.de) wenden. Bei Fragen zum Pflege­mindestentgelt, zur Lohnabrechnung und zu den Aufzeich­nungspflichten, sind wir Ihnen gern behilflich – auch mit Formularen zur Arbeitszeiterfassung. Sprechen Sie uns an!